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Selbstbewusstsein von Kindern stärken: Begriffsklärung und hilfreiche Tipps für Eltern

27. Oktober 2025

Viele Eltern kommen zu mir, damit ich ihr Kind unterstütze, ein stärkeres Selbstbewusstsein zu bekommen. Dabei geht es oft um Ängste, unter denen die Kinder leiden, aber auch um Mobbingerfahrungen. Aber was genau ist Selbstbewusstsein? Und ist die Stärkung von Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen wirklich die richtige Strategie bei Kindern, um sie gegen Ängste oder gegen Mobbing zu wappnen? In diesem Artikel möchte ich die Begrifflichkeiten genauer erklären. Die drei Begriffe werden oft gleichbedeutend verwendet, beschreiben aber unterschiedliche Aspekte unseres inneren Erlebens. Wenn du dein Kind gezielt stärken möchtest, hilft es zu verstehen, worum es jeweils geht.

Zusätzlich gebe ich euch zu den einzelnen Begriffen noch praktische Tipps, wie ihr das Selbstvertrauen, das Selbstbewusstsein oder auch das Selbstwertgefühl eures Kindes stärken könnt.

Wenn euer Kind schon in der Pubertät ist, dann findet ihr hilfreiche Tipps in meinem Artikel So stärkst du Jugendliche rein.

Im Alltag vermischen wir die Begriffe, was auch ok ist. Auch ich verwende da nicht immer das wirklich richtige Wort. Mir geht es in diesem Artikel darum, die Begrifflichkeiten mal unter die Lupe zu nehmen und dadurch sichtbar zu machen, wie wir das Selbstbewusstsein, das Selbstvertrauen und den Selbstwert der Kinder stärken können.

Selbstvertrauen: „Ich weiß, was ich kann.“

Selbstvertrauen bezieht sich auf konkrete Fähigkeiten und Erfahrungen. Ein Kind hat zum Beispiel Selbstvertrauen im Turnen, wenn es weiß: „Ich kann schon eine Rolle vorwärts und traue mir zu, bald auch eine Brücke zu schaffen.“ Oder es hat Selbstvertrauen in Mathematik, wenn es merkt: „Ich verstehe Brüche, das ist gar nicht so schwer.“

So wie wir lernen, anderen Menschen nach und nach immer mehr zu vertrauen, so lernen auch Kinder im Zuge ihrer Entwicklung, sich selbst mehr und mehr zu vertrauen. Sie lernen, was ihr Körper kann und wie sie ihn immer wieder aufs Neue herausfordern können. Und sie merken, dass auch ihr Gehirn immer mehr lernt und dass sie sich auf ihr logisches Denken verlassen können. All das bereitet schon einem Kleinkind enorm gute Gefühle. Kinder haben Spaß daran, sich auszuprobieren und aus ihrer Komfortzone herauszutreten. Denk nur einmal an das breite Lächeln eines Kindes, das gerade Gehen lernt und nach vielen, vielen Versuchen plötzlich die ersten Schritte macht. In diesem Alter haben Kinder eine enorme Frustrationstoleranz! Würden wir Erwachsene im Job so oft „hinfallen“, was würden wir von uns selbst denken?

Selbstvertrauen ist also auf bestimmte Bereiche bezogen und entsteht durch positive Erfahrungen, durch Erfolge, durch Übung und positive Rückmeldungen. Es ist eine erworbene Qualität, die im Laufe unseres Lebens wachsen kann.

Je mehr dein Kind in einem bestimmten Bereich übt und Fortschritte erlebt, desto größer wird sein Vertrauen in die eigene Fähigkeit. Ein Kind mit großem Selbstvertrauen im Fußball kann sich in einer neuen Situation, etwa beim Tanzen oder Musizieren, trotzdem unsicher fühlen. Oder dein Kind hat vielleicht ein großes Selbstvertrauen, was schulische Leistungen angeht, traut sich aber in sozialen Situationen nicht, auf andere zuzugehen.

Je mehr es erlebt, dass es sich selbst vertrauen kann, desto mutiger wird es auch in neuen, noch unbekannteren Situationen sein. Dann hat dein Kind gelernt, dass es Spaß machen kann, aus der eigenen Komfortzone herauszutreten und Neues auszuprobieren. Aus diesen stärkenden Erfahrungen entwickelt sich zunehmend ein allgemeines Selbstvertrauen. Das ist dann ein grundlegendes Gefühl von „Ich kann etwas bewirken“ oder „Ich bin fähig, mit Herausforderungen umzugehen“. Dieses Gefühl, diese Haltung wirkt sich dann auch auf andere Lebensbereiche aus.

5 Tipps, um das Selbstvertrauen deines Kindes zu stärken


1. Sei deinem Kind ein Vorbild

Indem du selbst Freude spürst und vermittelst, wenn du neue Dinge ausprobierst, sieht dein Kind, wieviel Spaß es machen kann, über den eigenen Schatten zu springen. Und auch uns Erwachsenen tut es gut, unsere Fehler nicht zu dramatisieren, sondern sie mit Leichtigkeit hinzunehmen und als Lernerfahrung zu akzeptieren.

2. Biete immer mehrere Optionen an

Gib in schwierigen Situationen nicht nur einen Weg als Lösung vor und lass dein Kind auch nicht nur zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden. Indem du ihm einen ganzen Blumenstrauß an Optionen bietest (mindestens drei), lernt dein Kind, dass es immer Handlungsspielräume gibt und nicht nur ein Entweder – Oder. Dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit kann das Selbstvertrauen und gleichzeitig das Selbstbewusstsein bei Kindern enorm stärken.

3. Mach Fortschritte sichtbar

Lass dein Kind immer wieder wissen, was es schon gelernt hat und wo es sich verbessert hat. Auch, wenn die Lernschritte nicht groß sind, so ist es doch wichtig zu spüren, was man am Weg zum Ziel schon geschafft hat.

4. Sieh Fehler als Lernchance

Vermittle deinem Kind, dass Fehler ein normaler, sogar ein wichtiger Teil des Lernens sind. Denn wenn ich keine Fehler mache, dann kann ich es schon, dann brauche ich es ja nicht mehr zu lernen. Die Erfahrung, dass Fehler uns weiterbringen, wird das Selbstvertrauen bei Kindern mehr und mehr stärken.

5. Würdige Anstrengung, nicht nur Ergebnisse

Stärke dein Kind, indem du seinen Einsatz und sein Durchhaltevermögen bestärkst. Sätze wie „Ich bin richtig stolz, wie lange du drangeblieben bist“ stärken nachhaltig das Vertrauen in die eigene Kompetenz und somit das allgemeine Selbstvertrauen bei Kindern.

All diese Erfahrungen helfen Kindern zu spüren, dass sie etwas schaffen können, wenn sie dranbleiben. Und dieses Gefühl führt zu immer mehr und mehr Selbstvertrauen und dem inneren Glaubenssatz: „Ich kann das schaffen!“

Das bedeutet auch, dass du deinem Kind zutrauen musst, dass es Dinge selbst schaffen kann. Kinder, denen alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt werden, entwickeln kein gesundes Selbstvertrauen.

Die Erfahrung, etwas selbst geschafft zu haben, ist ein grandioses Gefühl! Dieses Erlebnis, die Empfindung der eigenen Stärke, nimmst du deinem Kind, wenn du es vor jedem Rückschlag beschützt.

Auch wenn dein Kind dabei mal hinfällt, ist das eine wichtige Lernerfahrung und die Grundlage für das spätere Vertrauen in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten.

Selbstwert: „Ich bin wertvoll, so wie ich bin.“

Das Selbstwertgefühl ist sozusagen der innere Kern eines Menschen, das stabile Gefühl, sich selbst anzunehmen und in sich selbst zu Hause zu sein. Dieses Gefühl bestätigt uns, dass wir wertvoll sind, unabhängig von Leistung oder Erfolg. Ein gesundes Selbstwertgefühl zeigt sich darin, dass ein Kind auch, wenn etwas mal nicht klappt, spürt, dass es okay ist.

Das Selbstwertgefühl ist meiner Meinung nach ein wichtiger Grundpfeiler für psychische Gesundheit. Wenn ein Kind weiß, dass es gut ist, so wie es ist, dann kann es auch mit anderen Menschen wertschätzend umgehen. Laut der Konsistenztheorie von Klaus Grawe gehört der Selbstwert zu den 4 psychologischen Grundbedürfnissen des Menschen.

Ist ein starkes Selbstwertgefühl nicht überheblich?

Ein gesundes Selbstwertgefühl hat nichts mit Hochmut oder Überheblichkeit zu tun. Wer ein stabiles Gefühl für den eigenen Wert hat, muss sich nicht über andere stellen. Im Gegenteil.

Menschen mit einem guten inneren Selbstwertgefühl können andere so sein lassen, wie sie sind, ohne sich kleiner oder größer zu fühlen. Es macht Kinder also innerlich stabil. Sie müssen sich nicht beweisen, nicht prahlen, nicht perfekt sein. Sie wissen einfach: „Ich bin okay, so wie ich bin – und du bist es auch“.

Und genau das ist das Gegenteil von Hochmut oder Überheblichkeit. Denn Hochmut lebt vom Vergleich – Selbstwert braucht den Vergleich nicht. Das Selbstwertgefühl von Kindern zu stärken gibt ihnen somit die Sicherheit, die sie im Umgang mit anderen immer wieder brauchen.

5 Tipps, um das Selbstwertgefühl deines Kindes zu stärken


1. Du bist okay, so wie du bist!

Zeige und sage deinem Kind das immer wieder. Auch, wenn es mal ein Verhalten zeigt, das nicht in Ordnung ist, so trenne das von seinem Wesen. Das bedeutet, dass du deinem Kind sagst und zeigst, dass du es liebhast, auch wenn es sich mal schlecht verhält. Gleichzeitig kannst du mit deinem Kind aber darüber sprechen, dass das Verhalten gerade nicht in Ordnung war.

2. Gefühle zulassen und besprechen

Sprich mit deinem Kind über seine Gefühle und gib ihm zu verstehen, dass diese okay sind. Unsere Gefühle sind in dem Moment, in dem wir sie spüren, für uns real. Wenn wir immer wieder gesagt bekommen „Du brauchst keine Angst zu haben“, dann ist das sicherlich gut gemeint, aber das Kind lernt, dass das Gefühl nicht richtig ist oder dass es nicht auf die eigenen Gefühle vertrauen kann. Der Selbstwert deines Kindes wird aber eher gestärkt, wenn du ihm sagst und zeigst, dass es in Ordnung ist, mit all seinen Gefühlen.

3. Zugehörigkeit herstellen

Das Selbstwertgefühl ist stark verbunden mit dem Gefühl der Zugehörigkeit. Wir sind soziale Wesen und wollen zu einer Gruppe dazugehören. Daher ist das Gefühl, wenn man aus einer Gruppe ausgeschlossen wird, auch so schrecklich für uns. Es ist also schon von klein auf wichtig, deinem Kind zu zeigen, dass es ein wichtiger Teil eurer Familie, eures Freundeskreises oder eures sozialen Umfeldes ist. Dieses Gefühl der Zugehörigkeit kann auch das Selbstbewusstsein von Kindern ungemein stärken.

4. Fortschritte würdigen – Vergleiche vermeiden

Scham ist eines der stärksten Gefühle und macht uns unglaublich hilflos. Wenn ein Kind also immer wieder mit anderen verglichen wird und ihm gesagt wird, was die anderen besser können, dann wird es sich genieren und sich hilflos fühlen. Besser ist also, dein Kind in seiner Einzigartigkeit wahrzunehmen und seine Fortschritte und Talente zu würdigen, ohne es an den Erfolgen anderer zu messen. Ermutige dein Kind, sich auf das zu konzentrieren, was es selbst erreicht hat, um sein Selbstwertgefühl zu stärken.

5. Wertschätzung unabhängig von Leistung zeigen

Vermittle deinem Kind, dass du es liebst und es dir wichtig ist, egal, ob es erfolgreich ist oder scheitert. Auch, wenn es mal schlechte Noten bekommt oder etwas nicht kann, so mach deine Zuneigung nicht von der erbrachten Leistung abhängig.

Kinder spüren instinktiv, ob sie nur dann Zuneigung bekommen, wenn sie Erwartungen erfüllen.

Durch ein positives, starkes Selbstwertgefühl entwickeln wir Selbstsicherheit, Empathie und auch die Fähigkeit, gut mit Konflikten umzugehen. Dadurch, dass Kinder lernen, auch Fehler machen zu dürfen, entwickeln sie Motivation und die Freude am Lernen. Das hilft ihnen auch für ihre Zukunft, sowohl in sozialen Beziehungen als auch im Umgang mit Stress.

Selbstbewusstsein: „Ich weiss, wer ich bin und wie ich wirke.“

So, jetzt endlich kommen wir zum Selbstbewusstsein, das viele Eltern sich für ihre Kinder wünschen und daher stärken wollen.

Selbstbewusstsein bedeutet, sich seiner selbst bewusst zu sein. Es ist also die Fähigkeit, sich selbst wahrzunehmen, sich zu spüren und über sich selbst nachzudenken.

Dadurch, dass wir ein Bewusstsein über uns selbst haben, können wir erkennen, warum wir gerade fühlen, was wir fühlen. Dazu brauchen wir all unsere bisherigen Erfahrungen, unsere Bedürfnisse, unsere Meinungen und Wünsche. Alles, was wir bereits erlebt haben und was Gefühle in uns hervorgerufen hat, ist also irgendwie in uns gespeichert. Durch die Verbindung zu all diesen Informationen können wir, wenn wir in uns hineinhorchen, mit jeder Erfahrung immer besser und konkreter erkennen, was wir gerade spüren. Unser Selbstbewusstsein entwickelt sich immer weiter, je mehr wir erleben und fühlen.

Selbstbewusstsein ist ein Prozess, der uns immer wieder in Verbindung mit uns selbst bringt.

Wenn ein Kind Angst hat oder Unsicherheit verspürt, dann ist es sich seiner selbst bewusst und möchte sich bestimmte Situationen noch nicht zutrauen. Dann wäre es wichtig, das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen des Kindes zu stärken. Mein Lieblingssatz in solchen Situationen ist „Was brauchst du, damit du es schaffst?“

Ich beschreibe den Unterschied zwischen Selbstbewusstsein, Selbstwert und Selbstvertrauen hier deswegen so genau, da die Differenzierung genauer zeigt, wo und wie dein Kind besser unterstützt werden kann. Vielleicht kann es ja sehr gut Verbindung zu sich selbst aufbauen, kennt seine Grenzen und braucht manchmal einfach Unterstützung dabei, diese Grenzen zu überschreiten, um neue Erfahrungen zu machen. Dann hat dein Kind beim nächsten In-sich-Gehen bereits die Information, dass es sich gut anfühlt, etwas zu schaffen.

Um mutig zu sein, müssen wir davor einmal Angst haben. Wäre keine Angst da, dann wären wir ja auch nicht mutig.

Ein Kind mit stabilem Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl kann über sich nachdenken, ohne sich klein oder schlecht zu fühlen. Es erkennt eigene Stärken und Schwächen, kann Kritik annehmen und bleibt trotzdem im Gleichgewicht.

5 Tipps, um das Selbstbewusstsein deines Kindes zu stärken


1. Selbstreflexion anregen

Stelle offene Fragen wie: „Wie hast du dich dabei gefühlt?“ oder „Was denkst du, hat dir dabei geholfen?“ So lernt dein Kind, über sich selbst nachzudenken und zu spüren, was ihm guttut und was nicht.

2. Ehrliches Feedback geben – liebevoll, aber klar

Kinder brauchen realistische Rückmeldungen. Wenn du dabei wertschätzend bleibst, lernen sie, sich selbst objektiv einzuschätzen.

3. Übungen zu Körpersprache und Körperhaltung

Achte auf Gestik, Blickkontakt und Stimme. Schon kleine Übungen können helfen, dass dein Kind seinen Körper besser wahrnimmt und so ein Gespür dafür bekommt, wie Gefühle sich anspüren können.

Macht mal gemeinsam eure Power-Pose, bei der ihr euch stark fühlt. Lass dein Kind spielerisch ausprobieren, welche Posen ihm dabei einfallen.

Mach mit deinem Kind vor dem Einschlafen einfache Atemübungen, sodass es seinen Atem spürt. Ihr könnt auch einfach nur sagen, wie sich euer Körper gerade anfühlt. Vielleicht mag dein Kind auch den Rücken gegen eine Wand pressen und dann lockerlassen, sodass es den Unterschied zwischen Anspannung und Entspannung fühlt.


4. Selbstbestimmung fördern

Lass dein Kind immer wieder Entscheidungen treffen – von der Kleidung bis zu Freizeitaktivitäten. Selbstwahrnehmung entsteht dadurch, dass dein Kind merkt, dass es Einfluss nehmen und wirksam werden kann.

5. Raum für eigene Meinungen geben

Auch wenn du mal anderer Meinung bist, höre deinem Kind zu, nimm es ernst und diskutiere respektvoll. So lernt dein Kind, zu sich zu stehen, ohne andere kleinzumachen.

Fazit

Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein hängen eng zusammen, sind aber nicht dasselbe. Selbstvertrauen wächst durch Erfolge, die wir erleben, Selbstwertgefühl entsteht durch Annahme und Zugehörigkeit. Das Entstehen und Wachsen von Selbstbewusstsein ist ein Prozess, der immer wieder in Gang gesetzt wird, wenn wir in uns hinein spüren.

Erst, wenn alle drei Bereiche im Gleichgewicht sind, fühlt sich dein Kind wirklich sicher und wohl in seiner Haut. Dann kann es auch mit schwierigen Situationen umgehen, gute Beziehungen führen und den Herausforderungen des Lebens mit Spaß und Freude begegnen.

Zum Abschluss noch ein Buchtipp: Mein Stärkenrucksack von Carola Hanusch und Susanne Paulus ist ein Arbeitsheft zur Stärkung des Selbstbewusstseins für Kinder und Jugendliche ab 9 Jahren. Es bringt Kinder auf spielerische Weise mit ihren Stärken in Verbindung und stärkt so das Selbstbewusstsein, ganz kreativ und mit viel Spaß.