Müde Teenager: Mein Kind kommt morgens nicht aus dem Bett
Die meisten Eltern von pubertierenden Jugendlichen kennen das leidige Thema: dein Teenager ist tagsüber müde und genervt. Doch abends wird dein Kind munter, da wird noch gezockt, telefoniert und YouTube geschaut bis spät in die Nacht. Am nächsten Morgen kommt dein Kind dann vor lauter Müdigkeit nicht aus dem Bett. Und das geht den meisten Jugendlichen so, denn die biologische Uhr läuft bei Jugendlichen einfach anders!
Melatonin, das sogenannte „Schlafhormon“
Schuld am hohen Schlafbedürfnis der Jugendlichen ist unter anderem das Hormon Melatonin, das in der Zirbeldrüse im Zwischenhirn gebildet wird und umgangssprachlich auch „Schlafhormon“ genannt wird, da es unseren Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflusst. Seine Entstehung wird durch Licht gehemmt, sodass die Konzentration im Körper tagsüber abnimmt und ansteigt, wenn es dunkel wird. Bei Teenagern wird dieses Melatonin während der Pubertät um ungefähr 2 Stunden später produziert, der Höhepunkt der Melatonin-Produktion verschiebt sich also in Richtung Mitternacht und morgens kommen die Teenager dann nur langsam in die Gänge.
Euer Teenager hat also absolut recht, wenn er um 22 Uhr sagt „Ich bin aber noch überhaupt nicht müde!“ und es ist kein Wunder, dass euch morgens um 7 Uhr dann ein schlaftrunkener Morgenmuffel gegenübersitzt.
Eigentlich brauchen Jugendliche sogar mehr Schlaf als Erwachsene, ungefähr 8-10 Stunden pro Nacht, da der Körper die Ruhephasen braucht nach all den Umbauarbeiten, die er tagsüber erledigen muss. Und das Hirn macht nachts nicht halt und arbeitet weiter, gerade die letzte Schlaf-Phase ist besonders wichtig für das Lernen und das Gedächtnis. In dieser Phase wird alles Gelernte rekapituliert, geordnet und auf der Festplatte des Gehirns gespeichert. Lest dazu gerne mehr in meinem Beitrag zu den Umbauarbeiten im Gehirn.
Na gut, werdet ihr jetzt denken, mein Kind muss aber zur Schule, also muss ich es aufwecken, auch wenn der Teenager müde ist. Und ihr habt recht, das Schulsystem richtet sich nicht nach den Schlafgewohnheiten eurer Kinder und auch euer Job passt sich nicht dem Biorhythmus der Jugendlichen an. Rein organisatorisch ist es also nicht möglich, jedem Familienmitglied das jeweilige Schlafpensum zu gönnen, auch wenn die Jugendlichen gefühlt oft unter einem permanenten Jetlag leiden.
Später Schulstart für müde Teenager – ein Schulversuch
Ein späterer Schulbeginn in der Oberstufe wird immer wieder diskutiert und von vielen Hirnforscher*innen empfohlen. Studien aus den USA zeigen deutlich, dass dies zu besseren Schulleistungen und weniger Verspätungen führt.
Im Jahr 2016 wagten die öffentlichen High Schools in Seattle einen Versuch und verschoben den Unterrichtsbeginn von 7:50 Uhr auf 8:45 Uhr nach hinten, also um fast eine ganze Stunde. Der Aufwand war groß und es brauchte über ein Jahr an Planung, um die Änderungen zu realisieren. Schulbusse mussten anders getaktet werden, außerschulische Aktivitäten wurden verschoben und die Reaktion der Eltern war nicht nur getragen von Begeisterung.
Doch der Aufwand lohnte sich, wie die University of Washington nach einigen Untersuchungen zeigen konnte. Die Jugendlichen nutzen die Zeit wirklich, um mehr zu schlafen, im Schnitt um 34 Minuten länger als bisher. Hatten sie bisher an Schultagen 6 Stunden und 50 Minuten geschlafen, so kamen sie nun im Schnitt auf 7 Stunden und 24 Minuten. Und das nur, weil sich die Weckzeit bei den Jugendlichen ihrem natürlichen Rhythmus während der Pubertät angepasst hatte, der einfach nicht dem von Kleinkindern oder Erwachsenen entspricht. Man sah sehr viel weniger müde Teenager durch die Gänge schlurfen und die Konzentration und Leistung der Jugendlichen ging merklich nach oben.
Weckt man einen Teenager um 7 Uhr früh, dann wäre das für einen Erwachsenen, als würde der Wecker um 5 Uhr früh läuten.
Das mag für Frühaufsteher*innen ein guter Zeitpunkt sein, um fit in den Tag zu starten, die meisten von uns würden aber, genau wie ihre Teenager, nicht gerade erfreut sein. Ich spreche da aus eigener Erfahrung.
Die Zeit, in der Jugendliche dann endlich einschlafen, ist also meist biologisch bedingt, wohingegen die Weckzeit sozialen Anforderungen folgt. Der geänderte Schlafrhythmus und die hinzugekommene Schlafzeit wirkten sich bei den Jugendlichen vor allem in besseren Schulnoten aus, die sich um 4,5% steigerten. Außerdem hat der zusätzliche Schlaf auch biologische Vorteile und wirkt sich beispielsweise positive auf Verdauung, Herzfrequenz, Immunsystem, Konzentrationsspanne und mentale Gesundheit aus.
Wie Eltern müden Teenagern helfen können – 5 einfache Tipps
Ja, ihr könnt eure Kinder nicht einfach länger schlafen lassen. Die Schule beginnt hierzulande einfach immer noch sehr früh. Aber es gibt einige Dinge, die euren Jugendlichen helfen können, etwas früher müde zu werden oder sich den fehlenden Schlaf zu anderen Zeiten zu holen.
1. Lasst eure müden Teenager einen Mittagsschlaf (oder Nachmittagsschlaf) machen, wenn sie nachts nicht auf ihr Schlafpensum gekommen sind und es der Tagesablauf zulässt. Dieser Mittagsschlaf sollte aber nicht länger als eine Stunde dauern, meist reichen schon 20 Minuten, um die Jugendlichen zu erfrischen.
2. Die Jugendlichen sollten ihr Zimmer abends verdunkeln und auch vor dem Zubettgehen nicht allzu hellem Licht ausgesetzt sein. Dadurch wird schon abends mehr Melatonin ausgeschüttet und das Einschlafen fällt leichter.
3. Besprecht die abendlichen Bildschirmzeiten. Der Fernseher sollte auf keinen Fall im Kinderzimmer stehen, und auch Computer, Handy oder Tablet sollten ab einer bestimmten Uhrzeit nicht mehr verwendet werden. Das sind keine leichten Diskussionen und setzen Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten voraus. Ich weiß aber aus meiner Arbeitserfahrung in der Beratung, dass viele Jugendliche die Gefahren des Handys sehr wohl erkennen und selbst nicht täglich übermüdet in die Schule kommen wollen. Setzt also gemeinsam ein paar Regeln fest, mit denen alle Familienmitglieder leben können.
4. Achtet darauf, dass die Jugendlichen abends nicht zu schwer essen und keine anregenden Getränke wie Cola oder Energy Drinks zu sich nehmen. Das gleiche gilt übrigens auch für Erwachsene ; )
5. Entspannungsübungen helfen gut beim Einschlafen. Progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder auch Atemübungen können den Körper, aber auch die Gedanken zur Ruhe bringen. Ihr könnt diese Übungen auch gerne zusammen mit euren Kindern machen und so eine gewisse Routine aufbauen, die der ganzen Familie guttut. Hier findet ihr ein paar Beispiele:
Entspannungsübungen zum Einschlafen für die ganze Familie
Die folgenden Übungen könnt ihr gemeinsam als Familie machen, meist ist es anfangs einfacher, wenn jemand die Übung anleitet und laut spricht. Ihr könnt diese selbst gesprochene Anleitung auch aufnehmen und immer wieder abspielen, damit dann alle gemeinsam entspannen können. Beachtet dabei, dass es kein richtig oder falsch gibt. Und auch kein zu langsam! Meist neigen wir vor allem anfangs dazu, bei Entspannungsübungen zu schnell zu sprechen. Bei diesen Übungen geht es aber gerade darum, und Zeit zu lassen und möglichst nicht durch die Übungen zu hetzen.
Progressive Muskelentspannung
Leg dich auf dein Bett oder die Couch und gehe deinen Körper und deine verschiedenen Muskelgruppen in Gedanken von oben nach unten durch. Spanne zuerst die Muskeln im Gesicht für ein paar Sekunden stark an und entspanne sie dann bewusst. Gehe über den Hals und die Schultern bis zu den Armen und Händen, dann über die Brust, den Bauch usw. bis in die Zehenspitzen, bis jede Muskelgruppe absolut entspannt ist.
Atemübung
Konzentriere dich auf deinen Atem und lass ihn kommen und gehen, wie er gerade fließt. Beobachte erstmal nur, wie du atmest, schnell oder langsam, leicht oder tief, bis in den Bauch oder eher im Brustbereich.Lass deinen Atem dann bewusst durch deinen gesamten Körper fließen, bis in alle Körperteile, Arme, Beine, … und fühle, wie sich dein Körper vielleicht verändert. Nimm bewusst wahr, wie dein Körper langsam ruhiger, fließender wird, vielleicht heller, strahlender, vielleicht schwerer. Versuche hier einfach wahrzunehmen, es gibt auch bei dieser Übung kein richtig oder falsch!
Autogenes Training
Leg dich bequem hin und lasse wieder alle Muskeln möglichst entspannt und locker. Nun sag dir in Gedanken vor „Mein Kopf wird schwer“, „Meine Arme werden schwer“, „Meine Beine werden schwer“ usw. Versetze deinen Körper und deinen Geist in dieses Gefühl der Schwere, der Ruhe, und lass Gedanken, die aufkommen, einfach wieder gehen, wie Wolken, die am Himmel vorbeiziehen.
Diese Übungen sind dazu da, Jugendlichen das Einschlafen während der Pubertät zu erleichtern und müden Teenagern zu helfen, sich besser zu entspannen. Für den Einstig in Entspannungstechniken kann es hilfreich sein, diese Übungen mal unter professioneller Anleitung auszuprobieren und zu üben, damit ihr sie dann zu Hause alleine machen könnt.
Sollte eure Tochter oder euer Sohn allerdings unter anhaltenden Schlafstörungen (öfter als 3x pro Woche über einen längeren Zeitraum) leiden und immer wieder aufwachen und dann nicht mehr einschlafen können, dann solltet ihr unbedingt ärztliche Hilfe aufsuchen. Sollte es nötig sein, dann können Hausärzt*innen auch an die entsprechenden Fachärtz*innen oder an ein Schlaflabor überweisen.