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Trauer bei Kindern und Jugendlichen: Einfühlsam begleiten

22. April 2025

Wenn ein Mensch verstirbt, den wir sehr lieb hatten, dann sind wir mehr als nur traurig – wir trauern. Wir alle kennen das Gefühl der Trauer, die uns überkommt und scheinbar nie wieder vergehen wird. Der Verlust eines geliebten Menschen ist auch für Kinder und Jugendliche eine tiefgreifende Erfahrung, doch Kinder trauern anders als Erwachsene und brauchen besondere Unterstützung. Oma oder Opa sind plötzlich weg und manchmal kann auch der Tod eines Haustieres tiefe Trauer in Kindern hervorrufen. Manche Kinder müssen sogar den Tod von Mama oder Papa verarbeiten. Die hinterbliebenen Erwachsenen stehen dann vor der Herausforderung, ihren Kindern den Tod erklären zu müssen und sie durch den Trauerprozess zu begleiten. In diesem Artikel erfährst du, wie Trauer bei Kindern und Jugendlichen aussehen kann, wie man Kindern den Tod erklären kann und warum Familienberatung bei Trauer helfen kann.

Was für die Raupe das Ende der Welt, ist für den Rest der Welt ein Schmetterling. (Laotse)

Wie trauern Kinder und Jugendliche?

Der Trauerprozess läuft bei jedem Menschen anders ab und ich möchte hier gleich zu Anfang festhalten, dass es kein richtig oder falsch gibt. Es gibt auch keinen vorgegebenen Zeitpunkt, an dem die Trauer auftauchen wird oder überwunden sein sollte. So wie jedes Gefühl hat auch Trauer einen Sinn.

Trauer ist nicht das Problem, Trauer ist die Lösung.

Und deshalb ist es wichtig, Kinder und Jugendliche in ihrer Trauer zu begleiten, damit sie diese irgendwann annehmen und bewältigen können.

Die 4 Dimensionen des Todes

Der Tod hat 4 Dimensionen, die für die Entwicklung des Todeskonzeptes von Kindern und Jugendlichen von Bedeutung sind. Erst, wenn euer Kind alle vier Dimensionen verstanden und anerkannt hat, dann hat es ein vollständiges Konzept des Todes. Das bedeutet aber auch, dass Kinder erst während der Volkschulzeit, also zwischen 6 und 9 Jahren, intellektuell dazu imstande sind, alle Dimensionen zu verstehen.

1. Universalität – Alle müssen sterben

Diese Dimension bedeutet, dass der Tod ein unausweichlicher Teil unseres Lebens ist – er betrifft alle Lebewesen, ohne Ausnahme. Kinder müssen erst lernen zu verstehen, dass niemand für immer lebt – auch nicht sie selbst, ihre Eltern, oder ihr geliebtes Haustier. Hinter dem typischen Satz „Opa, versprich mir, dass du nie stirbst!“ steckt die kindliche Vorstellung, dass vielleicht doch irgendjemand vom Tod verschont bleiben kann. Besonders in der frühen Kindheit ist dieses Denken normal.

2. Irreversibilität – Der Tod ist endgültig

Vor allem jüngere Kinder können ein zentrale Dimension des Todes noch nicht ganz fassen: Wer gestorben ist, kommt nicht wieder. Sie glauben manchmal, der oder die Verstorbene könnte vielleicht wie von einer langen Reise zurückkommen oder wie aus einem langen Schlaf wieder erwachen. In der für Kinder typischen Frage „Wann kommt Mama wieder?“ zeigt sich, wie schwer es Kindern fällt, die Endgültigkeit wirklich zu begreifen. Rituale und klare Sprache helfen dabei, dieses Verständnis langsam zu entwickeln.

3. Kausalität – Der Tod hat eine Ursache

Diese Dimension beschreibt das Wissen, dass der Tod nicht einfach so passiert, sondern dass es dafür eine Ursache gibt, wie etwa Krankheit, Alter oder ein Unfall. Kinder wollen verstehen, warum jemand gestorben ist. In ihrer Vorstellung sind die Gründe oft magisch oder voller Schuldgefühle: „, Ist Oma gestorben, weil ich böse war?“ Erklärungen auf Fragen wie „Warum schlägt Omas Herz nicht mehr?“ sollten altersgerecht, ehrlich und möglichst konkret sein, ohne Schuldzuweisungen oder Beschönigungen.

4. Nonfunktionalität – Der Körper funktioniert nicht mehr

Im Tod hören alle biologischen Funktionen des Körpers auf: keine Atmung, kein Denken, kein Schmerz, kein Hunger, kein Herzschlag. Für Kinder ist das oft schwer vorstellbar. Sie fragen zum Beispiel: „Bekommt Oma noch Luft in ihrem Grab?“. Sie müssen erst lernen, dass ein toter Körper nicht mehr fühlt oder etwas braucht. Auch hier helfen eine klare, altersgerechte Sprache und das Wissen, dass solche Fragen Ausdruck von Unsicherheit und Neugier sind.

In dem kurzen, sehr berührenden Film: Kinder sprechen über Tod und Trauer hört ihr die Gedanken von Kindern rund um das Thema Tod und Sterben.

Das Todesverständnis in den verschiedenen Entwicklungsstufen von Kindern

Kinder, die unter 3 Jahre alt sind, erleben den Tod als Abwesenheit oder Trennung. Mit ungefähr 6 bis 8 Monaten suchen die Kinder den Elternteil, der ihrer Ansicht nach verschwunden ist. Sie haben also keine Vorstellung von der Endgültigkeit des Todes. Sie können sich nicht vorstellen, dass Mama nie wieder kommt oder fragen immer wieder nach der Rückkehr des verstorbene Opas.

Später dann, mit etwa 3 bis 4 1/2 Jahren, erkennen die Kinder die Gefühle und Reaktionen ihres Umfeldes. Sie gehen mit dem Tod oft sehr offen und ungezwungen um und stellen viele Fragen.

Bis zum Alter von ungefähr 6 Jahren schalten Kinder ihr magisches Denken ein und finden darin Erklärungen für den Tod.

Der Tod ist für die Kinder verbunden mit Dunkelheit und Bewegungslosigkeit und sie sind oft der Ansicht, dass er rückgängig gemacht werden kann. Erst mit ca. 6 bis 9 Jahren merken Kinder, dass Verstorbene nicht mehr zurückkommen. Sie verstehen, dass der Tod uns alle irgendwann treffen wird, auch sie selbst. Oft haben die Kinder jetzt ein großes sachliches Interesse am Tod und personifizieren ihn, um ihn zu begreifen. Der schwarze Mann oder ein Skelett – so kann der Tod jetzt aussehen. Zwischen 10 und 14 Jahren verstehen die Kinder dann, dass der Körper sich nach dem Tod verändert, und sie nähern sich dem Todesverständnis der Erwachsenen an. Sie begreifen also alle Dimensionen des Todes. Die Jugendlichen können nun also in ihrer Vorstellung vom Sterben den Körper und die Seele trennen und sie stellen nun häufig Fragen zum Thema Tod, Spiritualität und Sinn des Lebens und des Sterbens.

Der Prozess der Trauerbewältigung bei Kindern

Trauerbewältigung hat verschiedene Aufgaben. Sie hilft den Kindern dabei, den Tod zu verstehen und nach und nach zu begreifen, was da eigentlich passiert ist. Während des Trauerprozesses kommen viele unterschiedliche Gefühle auf, und diese sollten erstmal zugelassen werden. Diese Gefühle sind unterschiedlich und in ihrer Intensität unter anderem abhängig vom Alter des Kindes, und sie sind alle ok.

Wenn eine Mensch plötzlich nicht mehr da ist, ist es auch für uns Erwachsene schwierig zu begreifen, wo dieser Mensch jetzt ist. Im Trauerprozess wird dem oder der Verstorbenen jetzt ein neuer Platz gegeben.

Der Tod bekommt also auf eine gewisse Weise einen Sinn, durch den Tod kann die Person jetzt woanders sein und hat dort eine neue Aufgabe. Und so können die Kinder dann den Verlust in ihr eigenes Leben integrieren, sodass sie gut weiterleben können, im Inneren und im Äußeren. Sie müssen also eine neue Identität entwickeln, sich selbst neu kennenlernen und auch erfahren, wie die anderen sie jetzt wahrnehmen. Um all das zu erreichen, braucht es viel Energie, Aufwand und Zeit, doch am Ende ist Trauer keine Krankheit, sondern der Weg, auf dem dein Kind langsam wieder gesund wird.

Reaktionen von Kindern und Jugendlichen auf den Tod

Die Reaktionen von Kindern auf den Tod sind sehr unterschiedlich und können stark variieren. Kurz nach dem Tod können Kinder es oft nicht glauben, sie können sich hilflos oder ohnmächtig fühlen und weinen. Mache Kinder stellen immer wieder Fragen und wollen über ihre Trauer sprechen. Andere ziehen sich zurück und möchten auch nicht, dass andere über das Ereignis oder ihre Trauer reden. Andere Kinder wieder reagieren mit Wut oder gar mit Aggression. Und all diese Reaktionen sind ok und dürfen sein!

Später dann können bei den Kindern Gefühlsschwankungen vorkommen, manchmal schlafen die Kinder nicht gut oder träumen von der oder dem Verstorbenen. Es kann auch vorkommen, dass sie wütend werden, wenn jemand etwas vermeintlich Schlechtes über die verstorbene Person sagt, manche Kinder imitieren auch das Verhalten der Verstorbenen. Manche Kinder machen sich Sorgen über ihre eigene Gesundheit oder um die von nahestehenden Personen. Dann sehen sie in allem Anzeichen für Krankheit und Tod.

Es kann auch vorkommen, dass Kinder Trennungsängste entwickeln oder in ihrer Entwicklung Rückschritte machen.

Plötzlich machen sie wieder ins Bett oder wollen nicht mehr alleine in die Schule gehen. Manche Kinder reagieren auf den Verlust mit Schuldgefühlen, andere ziehen sich aus sozialen Situationen zurück oder aber sie agieren plötzlich reifer und erwachsener als vorher. Manchmal kann es nach einem Todesfall bei Kindern zu Konzentrationsstörungen oder Schwierigkeiten in der Schule kommen. Und machen Kinder zeigen gar keine Reaktion. Doch auch diese Nicht-Reaktion ist eine Reaktion.

Der Trauerprozess bei Kindern und Jugendlichen

Die Reaktionen von Kindern und Jugendlichen auf den Tod sind sehr unterschiedlich und treten nicht in einer bestimmten Reihenfolge auf. Wie Kinder reagieren, ist nicht nur eine Frage des Alters, sondern auch der Entwicklungsstufe, in der sie gerade stecken. Dann spielt natürlich auch die Persönlichkeit des Kindes eine große Rolle. Manche Kinder stellen gerne Fragen, andere schreien gleich mal alles raus und wieder andere machen viel mit sich aus. Außerdem haben Kinder und Jugendliche oft einen unterschiedlichen Informationsstand, je nachdem, wieviel sie zuhause oder in Kindergarten und Schule schon über den Tod gehört haben.

Wenn Kinder bereits einen Begriff davon haben, was tot sein bedeutet, dann läuft der Trauerprozess oft anders ab als bei Kindern, die noch kaum in Berührung mit diesem Thema gekommen sind.

Der Trauerprozess verläuft auch anders je nachdem, was die Ursache und die Umstände waren, die zum Tod der nahestehenden Person geführt haben. War der Tod plötzlich oder ist eine lange Krankheit vorangegangen? Wurde mit den Kindern schon vorher viel darüber geredet oder wurden sie von dem Verlust überrascht? All das spielt für betroffene Kinder eine Rolle, den Tod zu begreifen und zu verarbeiten.

Auch die Reaktion der anderen Hinterbliebenen ist für die Kinder oft wichtig für ihre eigene Trauer. Bekommt das Kind Erklärungen und Informationen, ist es im Austausch und kann Fragen stellen oder sind die anderen hinterbliebenen Personen selbst noch im Schockzustand oder gefangen in ihrer eigenen Trauer? Hinzu kommt noch, ob Kinder und Jugendliche bereits Verluste erlebt haben oder ob ein Kind zum ersten Mal Trauer verspürt und bewältigen muss. All diese Faktoren können den Trauerprozess von Kindern und Jugendlichen beeinflussen.

Trauerphasen nach Elisabeth Kübler-Ross

Die Schweizer Psychiaterin und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross (1926-2004) hat mit ihrem Modell der fünf Trauerphasen ein wichtiges Bild geschaffen, das vielen Menschen hilft, ihre Gefühle nach einem Verlust einzuordnen. Diese Phasen müssen allerdings nicht nacheinander ablaufen und nicht jeder Mensch erlebt alle 5 Phasen. Es gibt auch viel Kritik am 5-Phasen-Modell nach Kübler Ross, und gerade bei Kindern und Jugendlichen kann Trauer ganz anders aussehen als bei Erwachsenen. Das macht es für Eltern oft so schwer, „richtig“ zu reagieren. Da das 5-Phasen Modell nach Kübler-Ross aber immer noch häufig Erwähnung findet, möchte ich die 5 Phasen hier kurz beschreiben.

1. Nicht-Wahrhaben-Wollen

Kinder (wie auch Erwachsene) können nach einem Verlust zunächst leugnen, was passiert ist. Sie sagen zum Beispiel, der geliebte Mensch sei nur verreist oder bald wieder da. Das Gehirn schützt sich so vor der vollen Wucht des Verlusts.

2. Wut

In dieser Phase kann sich die Trauer in Form von Zorn oder Trotz äußern. Da kommt es zu Wut auf die Person, die gestorben ist, Wut auf sich selbst oder auf andere. Auch Sätze wie „Warum hast du nichts dagegen gemacht?“ oder „Das ist so unfair!“ sind in dieser Phase nicht selten.

3. Verhandeln

Vor allem bei jüngeren Kindern zeigt sich oft der Wunsch, durch bestimmtes Verhalten etwas „rückgängig“ machen zu können: „Wenn ich ganz brav bin, kommt Oma vielleicht wieder.“

4. Traurigkeit / Depression

Die Realität wird spürbar, und Kinder und Jugendliche können sehr still, traurig oder zurückgezogen wirken. Manche reagieren auch mit Ängsten, Schlafstörungen oder körperlichen Symptomen.

5. Akzeptanz

Erst mit der Zeit gelingt es, den Verlust als Teil der eigenen Geschichte zu integrieren. Das bedeutet nicht, dass der Schmerz weg ist, aber er verändert sich. Die verstorbene Person bekommt jetzt einen neuen Platz und eine neue Aufgabe im Leben des Kindes.

Es ist wichtig zu wissen, dass dieses Modell nicht für alle Menschen und Kulturen gleichermaßen passt. Kritisiert wird, dass es zu linear gedacht ist oder suggeriert, dass es eine „richtige“ Art zu trauern gäbe. Gerade Kinder und Jugendliche trauern oft in Wellen. An einem Tag scheint alles wieder „normal“, am nächsten kommt plötzlich ein heftiger Gefühlsausbruch. Die Erfahrung bei schweren Verlusten zeigt, dass der Trauerprozess, ob bei Erwachsenen oder bei Kindern, kein lineares Durchleben von Phasen ist. Am Ende ist das Ziel der Trauer, eine stimmige innere Beziehung zur verstorbenen Person zu finden, egal, wie und wie lange das dauert.

Traueraufgaben nach William Worden

Ein hilfreiches Modell, das oft in der Begleitung trauernder Kinder und Jugendlicher angewendet wird, stammt vom amerikanischen Psychologen und Trauerforscher William Worden (geb. 1932). Er spricht nicht von Phasen, sondern von Traueraufgaben, die ein Mensch im Laufe der Zeit bewältigen kann. Diese Aufgaben soll jede und jeder im eigenen Tempo und auf ganz persönliche Weise bewältigen. Der große Vorteil dieses Modells ist, dass es zeigt, dass Trauer kein passiver Zustand ist, den man „über sich ergehen lässt“. Für Worden ist Trauer ein aktiver Prozess, in dem Menschen, also auch Kinder und Jugendliche, nach und nach Schritte tun, um mit dem Verlust zu leben.

Die vier Aufgaben der Trauer nach Worden sind:

1. Die Realität des Verlusts akzeptieren

Gerade kleine Kinder neigen dazu, den Tod nicht endgültig zu verstehen. Sie warten manchmal darauf, dass die verstorbene Person wiederkommt. Deshalb ist es so wichtig, kindgerecht über den Tod zu sprechen – klar, ehrlich und mit liebevoller Begleitung.

2. Die Trauer und den Schmerz durchleben

Viele Erwachsene wollen ihre Kinder vor Schmerz schützen und sagen Sätze wie „Sei tapfer“ oder „Das wird schon wieder“. Doch Gefühle wie Wut, Angst, Schuld oder tiefe Traurigkeit brauchen Raum und Würdigung. Und auch körperliche Symptome der Trauer gehören gerade bei Kindern und Jugendlichen zum Trauerprozess dazu. Nur wer fühlen darf, kann auch heilen.

3. Sich an das Leben ohne die verstorbene Person anpassen

Diese Aufgabe ist besonders herausfordernd, weil sich vieles verändert. Kinder sollen neue Alltagsstrukturen entwickeln, möglicherweise neue Rollen einnehmen oder lernen, wichtige Dinge ohne die verstorbene Person zu bewältigen. Und das braucht Zeit.

4. Dem Verstorbenen einen neuen Platz im Leben geben

Die Bindung zu einer geliebten, nahestehenden Person endet nicht mit dem Tod. Viele Kinder finden Trost in kleinen Ritualen, Erinnerungsstücken oder Gesprächen über die verstorbene Person. So bleibt die Verbindung bestehen – auf eine andere, innere Weise.

Im Unterschied zum Modell von Kübler-Ross bietet Wordens Ansatz eine aktivere, prozessorientierte Sichtweise auf Trauer. Gleichzeitig wird auch dieses Modell kritisiert – etwa, weil es suggerieren kann, dass die Traueraufgaben wie eine To-Do-Liste abgearbeitet werden müssen oder dass es ein Ziel gäbe, das erreicht werden muss. Gerade bei Kindern und Jugendlichen verläuft Trauer oft nicht geradlinig und kann, je nach Alter, Entwicklungsstand und familiärer Situation sehr unterschiedlich aussehen.

Trauernden Kindern den Tod erklären

Der Tod eines geliebten Menschen erschüttert das ganze Familiensystem und stellt Eltern vor eine besonders schwierige Aufgabe: Wie sage ich es meinem Kind? Soll ich es überhaupt mit der Wahrheit konfrontieren? Kann es das Alles überhaupt irgendwie begreifen oder soll ich es vor der ganzen Situation nicht besser bewahren?

Auch, wenn der Impuls verständlich ist, Kinder vor Schmerz schützen zu wollen, ist Offenheit für die Verarbeitung eines Verlustes besonders wichtig.

Kinder haben sehr feine Antennen, sie spüren sofort, wenn etwas nicht stimmt. Wenn sie nichts erfahren oder mit unklaren Aussagen vertröstet werden, versuchen sie selbst, sich die Ereignisse zusammenzureimen. Dann springt die kindliche Fantasie springt an und das kann zu noch größerer Unsicherheit, zu Angst oder Schuldgefühlen führen.

Kinder brauchen ehrliche, klare Informationen

Informiere dein Kind über das, was passiert ist, verpackt in Worte, die es verstehen kann. Dabei kommt es nicht auf komplizierte Erklärungen an, sondern auf Einfühlungsvermögen, Geduld und echte Zuwendung. Kinder und Jugendliche brauchen keine verstörenden Informationen, aber auch keine verharmlosenden Umschreibungen. Statt beschönigender Formulierungen wie „Opa ist eingeschlafen“ oder „Mama ist auf einer langen Reise“ sollten Eltern den Tod beim Namen nennen: „Opa ist gestorben.“ Und dann – je nach Alter des Kindes – erklären, was das bedeutet.

Erklärungen und Gespräche können für die hinterbliebenen Erwachsenen schwierig sein, aber so fühlt sich dein Kind ernst genommen und kann selbst trauern. Gleichzeitig darf auch Raum für Hoffnung sein.

Einfache, konkreten Aussagen helfen Kindern, den Tod als etwas Endgültiges zu begreifen. „Wenn jemand tot ist, dann kann er nicht mehr atmen, nicht mehr sprechen, nicht mehr hören oder lachen. Der Körper funktioniert nicht mehr, und das bleibt für immer so.“ Besprecht dann, wie ihr den oder die Verstorbene*n im Herzen behalten wollt, sodass ihr gemeinsam an ihn oder sie denken könnt. Seid dabei neugierig auf die Ideen eures Kindes, die es in diese Gespräche einbringt.

Lass dich von den Fragen deines Kindes leiten

Manche Kinder wollen alles wissen, andere nur wenig. Manche fragen gleich direkt, andere stellen über Tage oder Wochen hinweg eher indirekte Fragen.

Wenn man Kindern den Tod erklären will, dann ist es völlig in Ordnung, nicht auf jede Frage sofort eine Antwort parat zu haben. Du darfst auch sagen: „Ich weiß es gerade selbst nicht genau.“ Wichtig ist, dass dein Kind spürt, dass es fragen darf. Es darf traurig sein, es darf auch mal schweigen – und du bist da.

Auch Gefühle gehören ins Gespräch: Sprich offen über deine eigene Trauer und zeige deinem Kind, dass es okay ist, zu weinen, wütend zu sein oder sich leer zu fühlen. So lernt es, dass Trauer etwas ganz Normales ist – auch wenn sie sich bei Kindern oft anders zeigt als bei Erwachsenen.

Kinder stellen oft ganz direkte, tiefgründige oder auch überraschend pragmatische Fragen – und das dürfen sie.

Lass dein Kind mitbestimmen, wie viel es wissen will und worüber es sprechen möchte. Manchmal möchten Kinder reden, manchmal spielen oder schweigen. Wichtig ist, dass du da bist, zuhörst und signalisierst: Ich bin da, wann immer du mich brauchst.

Wie Familienberatung bei Trauer helfen kann

Trauer ist ein Prozess. Kinder trauern anders als Erwachsene – oft in kürzeren, wechselhaften und wellenartigen Phasen. Was sie dabei brauchen, sind Menschen, die ihnen Sicherheit geben, offen sind für ihre Gefühle und keine Angst vor ihren Fragen haben, wenn sie ihnen den Tod erklären wollen.

Wenn du merkst, dass dein Kind in der Trauer feststeckt oder du selbst nicht mehr weißt, wie du helfen kannst, ist es vollkommen okay, dir Unterstützung zu holen.

Vielleicht weißt du nicht genau, wie du das Gespräch mit deinem Kind beginnen sollst. Oder du machst dir Sorgen, wie dein Kind mit dem Verlust umgeht und kannst seine Reaktion auf den Todesfall nicht einordnen. Hier kann Elternberatung oder Familiencoaching eine wertvolle Unterstützung sein. Du musst das nicht allein schaffen. In der Familienberatung kann die ganze Familie in einem geschützten Rahmen ihren Gefühlen Ausdruck verleihen. Wir sehen uns gemeinsam an, wo ihr gerade in eurem Trauerprozess steht und wer gerade was benötigt, um mit der Situation umzugehen.

Auch der Verein Rainbows bietet Trauerbegleitung im Einzelsetting oder für Familien an, die Unterstützung im Trauerprozess benötigen.

Auch in der schwersten Zeit gilt: Kinder brauchen keine perfekten Antworten – sie brauchen echte Menschen, die ehrlich, liebevoll und verlässlich mit ihnen durch die Trauer gehen.

Trauer, Verlust & Schmerz bewältigen: Was hilft Kindern und Jugendlichen?

Es ist nicht leicht, Kinder und Jugendliche in ihrer Trauer zu begleiten, wenn du selbst gerade tief in deiner Trauer steckst. Aber für ein Kind oder einen jungen Menschen ist es vielleicht das erste Mal, dass ein geliebter Mensch stirbt. Gerade deshalb benötigen sie besondere Unterstützung von uns Erwachsenen.

Kinder brauchen Nähe, Ehrlichkeit und Geborgenheit

Kinder erleben Trauer anders als Erwachsene. Sie können blitzschnell zwischen tiefem Schmerz und ausgelassener Fröhlichkeit hin- und herspringen. Das kann für Erwachsene oft befremdlich sein, ist aber kein Zeichen von Oberflächlichkeit, sondern ein wichtiger Schutzmechanismus. Umso bedeutender ist es, dass sie in ihrer Art zu trauern ernst genommen werden – mit all ihren Ängsten, ihrer Wut, ihrem Schweigen oder ihren Tränen.

Kinder sollen nicht von den Gefühlen ihres Umfelds abgeschirmt werden. Sie dürfen erfahren, dass auch Erwachsene traurig sind und weinen. Das zeigt ihnen: Ich bin nicht allein mit meiner Trauer. Meine Gefühle sind völlig okay.

Um Gefühle wie Trauer, Wut, Verzweiflung und Hilflosigkeit zeigen und ausleben zu können, brauchen Kinder und Jugendliche Vorbilder, die ihnen genau das vorleben.

Kinder wollen trotz Trauer normal sein

Kinder brauchen auch Zeit und Raum für ihre Trauer. Trauer lässt sich nicht abkürzen. Sie kommt in Wellen – mal leise, mal überwältigend, manchmal völlig überraschend. Der Trauerprozess bei Kindern verläuft, anders als bei Erwachsenen, eher sprunghaft, sie zeigen Wut und Zorn manchmal sehr deutlich und haben oft Schuldgefühle.

Neben Orten, an denen getrauert werden darf – zum Beispiel am Grab oder einem gestalteten Erinnerungsplatz zuhause – brauchen Kinder auch Orte, an denen nicht getrauert wird. Orte des Alltags, der Unbeschwertheit, wo Lachen erlaubt ist, ohne schlechtes Gewissen.

Das kann der Kindergarten, die Schule, eine Spielgruppe oder ein Wochenende bei Freund*innen sein. Solche „Trauerpausen“ sind keine Flucht – sie sind überlebenswichtig.

Es kann völlig überfordernd sein, wenn man um jemanden trauert. Alles ist plötzlich anders, alle um einen herum sind anderes und auch ich bin nicht mehr so, wie ich noch vor dem Todesfall war. Deshalb ist es wichtig für Kinder, ihnen auch immer wieder das Gefühl zu geben, dass sie „normal“ sind. Oft genießen es die Kinder, wenn sie mal nicht die Außenseiter*innen sind, denen gerade etwas Schlimmes zugestoßen ist. Sie wollen dann einfach wieder mal lustig sein, wollen nicht mit Samthandschuhen angefasst werden, sondern Situationen genießen „wie immer“. Deshalb ist es wichtig, dass auch alte Strukturen aufrechterhalten werden und die Kinder und Jugendlichen so wenig Veränderungen erfahren wie möglich. Dass ist nicht immer leicht, aber manchmal ist es auch für Erwachsene gut, Zeiten genießen zu können, in denen der Fokus mal nicht mehr auf der Trauer liegt.

So wie ein Ruderboot nur vorankommt, wenn beide Ruder abwechselnd ins Wasser tauchen, so brauchen Kinder auch im Trauerprozess die Balance zwischen Trauer und Ablenkung.

Die Pausen, das Durchatmen und Kraft sammeln sind genauso wichtig wie die Auseinandersetzung mit dem Verlust.

Abschied nehmen – Kinder beim Begräbnis

Wichtig für viele Kinder ist, selbst Abschied nehmen zu dürfen – in ihrer eigenen Art und in ihrem eigenen Tempo. Für manche ist es heilsam, den verstorbenen Menschen noch einmal zu sehen, sofern das möglich ist. Kinder sollten selbst entscheiden dürfen, ob und wie sie das möchten. Auch die Teilnahme an einem Begräbnis oder einer Verabschiedung kann für Kinder wichtig sein.

Wenn Kinder Teil der Trauergemeinschaft sind, dann sollten sie auch Teil der Verabschiedung sein dürfen, wenn sie das wollen und man sie gut auf die Situation vorbereitet.

Oft wollen Erwachsene die Kinder schützen, doch das Begräbnis ist ein wichtiges Abschiedsritual, das eine gemeinschaftliche Erfahrung darstellt. Da ein Begräbnis oder eine Verabschiedung eine unbekannte Situation ist, sollte eine vertraute Person an ihrer Seite sein, die ihnen alles erklärt und Fragen beantwortet. Warum weinen die Erwachsenen? Warum sind alle schwarz angezogen? Wer sind all diese Leute? Klärt also am besten vor dem Begräbnis ab, wer diese Begleitperson, der „Bodyguard“, sein wird. Am besten eine Person, die das Kind gut kennt, die aber nicht direkt vom Todesfall betroffen ist. Dadurch kann die Person auch mit dem Kind die Trauerfeier verlassen, wenn es ihm zu viel wird.

Abschiedsrituale geben Halt

Kinder wollen ihre Trauer ausdrücken, genau wie Erwachsene auch. Und diese Ausdrucksformen können gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen je nach Alter gestaltet werden. Sei es ein letzter Brief, ein gemaltes Bild, ein kleines Andenken, das der verstorbenen Person mitgegeben wird. Solche Rituale machen den Tod greifbarer und helfen, eine Form des Abschieds zu finden. Auch Rollenspiele, Tanzen und Singen machen es den Kindern oft leichter, ihre Trauer auszudrücken.

Manchmal eröffnen nonverbale Wege, Trauer zu zeigen, viel tiefere Einblicke in das innere Erleben eines Kindes als jede Frage.

Wenn Erwachsene diesen Prozess behutsam begleiten, dann entsteht ein sicherer Raum, in dem Gefühle sein dürfen – so wie sie gerade eben sind. Auch bei solchen Abschiedsritualen gilt: lasst euch von den Kindern inspirieren, seid neugierig, welche Ideen sie einbringen! Denn Kinder wissen oft selbst sehr gut, was ihnen guttut.

Und hier zum Abschluss noch ein Podcast-Tipp zum Thema Tod und Trauer: ELTERNgespräch: Mit Kindern über den Tod sprechen